Cicero - De officiis

Ein Blog mit einer (leider noch nicht vollständigen) Übersetzung der Aschendorff-Ausgabe von Ciceros "De officiis" DIESE SEITE BEFINDET SICH NOCH IM AUFBAU!!!

26 Juni, 2005

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(1) Obwohl es in Ordnung ist, dass du, mein Sohn Marcus, der du schon ein ganzes Jahr lang Cratippus hörst, und das in Athen, Überfluss hast an Anweisungen und Lehren der Philosophie wegen der sehr hohen Bedeutung sowohl deines Professors als auch der Stadt, von denen die eine dich durch Wissen fordern kann und die andere durch Beispiele, denke ich dennoch, dass du, wie ich selbst oft zu meinem Nutzen das Lateinische mit dem Griechischen verbunden habe und dies nicht nur in der Philosophie, sondern auch in meiner rhetorischen Praxis getan habe, das selbe tun musst, damit du gleich gut bist in der Fertigkeit beider Sprachen.

Hierzu trugen wir freilich, wie es uns scheint, eine große Hilfestellung für unsere Landsleute bei, so dass nicht nur die in griechisch wissenschaftlich Ungebildeten, sondern auch die Gebildeten meinen, dass sie eine Menge erreicht haben, sowohl zum Lernen als auch für ihr Urteil.

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(2) Deswegen wirst du ja von dem führenden Philosophen dieser Zeit lernen und wirst lernen so lange du willst; so lange aber wirst du wollen müssen, solange dich das Maß deiner Fortschritte nicht verdrießt.Doch dennoch wenn du unsere Schriften, die nicht viel von den Lehren der Paereipatetici abweichen, liest, dann gebrauche Urteilskraft im Hinblick auf diese Dinge - denn ich hindere dich daran nicht - weil wir ja beide Sokratiker und Platoniker sein wollen, aber tatsächlich reicher wirst du deine lateinische Rhetorik durch das Lesen unserer Schriften machen. Und ich möchte aber nicht, dass man meint, dass dies anmaßend gesprochen wird. Denn ich meine, obwohl vielen philosophische Bildung zugestanden wird, weil es Aufgabe des Redners ist, sich eigentümlich, passend, klar und gewählt auszudrücken, dass ich dies in gewisser Weise beanspruchen kann, weil ich mein ganzes Leben damit verbracht habe, sie zu studieren.

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(3) Deswegen fordere ich dich, mein Cicero, mit Nachdruck auf, nicht nur meine Reden sondern auch diese Bücher über Philosophie, die schon jenen nahezu gleichgekommen sind, eifrig zu lesen;Denn die Kraft der Rede ist größer in jenen, aber auch diese gleicchmäßige und gemäßigte Gattung der Rede muss gepflegt werden. Und dies wenigstens sehe ich, dass bisher niemand der Griechen erreicht hat, dass er dasselbe in beiden Gattungen erarbeitete oder verfolgte, sowohl in jenen Gerichtsreden als auch die ruhige Erörterung, wenn nicht vielleicht Demetrius aus Phaleron dazugerechnet werden kann, ein gescheiter Dialektiker, ein Redner mit wenig Kraft, jedoch gefällig, so dass du den Schüler des Theophrast in ihm erkennst.

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(4) Allerdings schätze ich, dass sowohl Plato, wenn er die Gattung der Gerichtrede hätte behandeln wollen, am eindringlichsten und gehaltvollsten hätte ausdrücken können als auch, dass Demosthenes, wenn jener wie von Plato überliefert wurde, hätte bewahren und vortagen wollen, was er vortrefflich und glänzend machen konnte; und auf die gleiche Art urteile ich über Aristoteles und Isokrates, von denen jeder den anderen durch seine Lehre erfreut verachtete.
Aber weil ich beschlossen hatte, dir etwas für jetzt zu schreiben, viel später wollte ich besonders bei dem beginnen, was sowohl deinem Alter als auch meinem Ansehen am besten geeignet wäre. Denn obwohl in der Philosophie wichtige Dinge genau und ausführlich von den Philosophen diskutiert werden, scheinen diese den weitesten Anwendungsbereich zu haben, die über das pflichtgemäße Handeln von jenen überliefert und unterrichtet worden sind. Kein Teil des Lebens nämlich kann weder in öffentlichen noch privaten noch gerichtlichen noch häuslichen Angelegenheiten frei von plichtgemäßem Handeln sein, weder wenn du etwas mit dir alleine unternimmst noch wenn du mit anderen geschäftlich zu tun hast. In der Pflege des pflichtgemäßen Handelns liegt alle Ehrenhaftigkeit des Lebens und in der Vernachlässigung Häßlichkeit.

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(5) Nun ist dies freilich die Fragestellung aller Philosophen. Wer nämlich wagte sich einen Philosophen zu nennen, ohne die Lehre vom pflichgemäßen Handeln zu lehren? Aber es gibt einige Lehren, die alles pflichtgemäße Handeln durch ihre Bestimmungen des höchsten Guts und höchsten Übels auf den Kopf stellen. Denn wer das höchste Gut so definiert, dass es keine Verbindung zur Tugend hat,und dies zu seinen Gunsten, beurteilt nicht nach Ehrenhaftigkeit, der, wenn er mit sich selbst übereinstimmte und nicht manchmal von der Güte seiner Väter überwältigt wird, weder Freundschaft pflegen kann noch Gerechtigkeit noch Freizügigkeit; tapfer aber kann auf keine Weise sein, wer den Schmerz als höchstes Übel beurteilt, oder maßvoll, wer die Lust als das höchste Gut betrachtet.

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(6) Obwohl dies so offensichtlich sei, dass die Sache einer Untersuchung nicht bedarf, sind diese dennoch von uns an anderem Ort untersucht worden. Diese Lehren also, wenn sie mit sich übereinstimmen wollten, könnten vom pflichtgemäßen Handeln nichts sagen, und keine der Lehren über das pflichtgemäße Handeln kann dauerhaft, unwandelbar, natürlich überliefert werden, es sei denn entweder von jenen, die sagen, dass die Ehre alleine um ihrer selbst Willen zu erstreben sei oder von jenen, die sagen, dass sie am meisten zu erstreben sei. So ist diese Lehre der Stoiker, Akademiker, Peripatetiker beständig, weil ja die Meinung desAriston, des Pyrrhon, des Erillius schon längst unterworfen worden ist; diese hätten dennoch die Berechtigung über das pflichtgemäße Handeln zu diskutieren, wenn sie irgendeine Auswahl übrig gelassen hätten, so dass es einen Zugang zum Herausfinden des pflichtgemäßen Handelns gab. Wir folgen also zu dieser Zeit und in dieser Frage hauptsächlich den Stoikern, nicht wie Übersetzer, aber wir werden aus deren Quellen unser Urteil und Ermessen schöpfen, wie sehr und auf welche Weise es uns richtig erscheinen wird.

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(7) Ich halte es für richtig, weil diese ganze Abhandlung vom pflichtgemäßen Handeln handeln wird, zuerst zu erklären, was pflichtgemäßes Handeln ist. Ich wundere mich, dass dies von Panaetius verboten ist. Jede Lehre nämlich, die vom Verstand aufgenommen wird, muss von einer Definition ausgehen, damit verstanden wird, was dies ist, worüber diskutiert wird.
Jede Untersuchung des pflichtgemäßen Handelns ist zweiteilig. Eine Art ist, was sich auf das höchste Gut bezieht, die andere, was in den Lebensregeln behauptet wird, durch die in jeder Beziehung das tägliche Leben gestaltet werden kann. Beispiele für die erste Art sind von der Gestalt, ob jedes pflichgemäße Handeln vollkommen, ob irgendein pflichgemäßes Handeln besser ist als das andere und welche von dieser Art sind. Das pflichgemäße Handeln aber, von dem Lehren überliefert wurden, obwohl diese sich auf das höchste Gut beziehen, scheint dennoch unbedeutender, weil es eher der Gestaltung des gemeinschaftlichen Lebens zuzuschauen scheint. Über dieses müssen wir uns in diesen Büchern ausführlich sprechen.

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(8) Es gibt auch eine andere Einteilung des pflichtgemäßen Handelns. Denn man spricht sowohl von einem mittleren als auch von einem vollkommenen pflichtgemäßen Handeln. Das vollkommene pflichtgemäße Handeln, meine ich, nennen wir richtig, weil die Griechen es katÒrqwma (katórthōma) nennen, aber allgemeines pflichtgemäßes Handeln, kaqÁkon (kathêkon). Und dies erklären sie so, dass sie das, was richtig ist als vollkommenes pflichtgemäßes Handelns definieren. Mittleres aber nennen sie das pflichtgemäße Handeln, weil eine vernünftige Begründung gegeben werden kann, warum so gehandelt wurde.

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(9) Dreifach also ist die Überlegung, wie es Panaetius scheint. Denn bezweifelt man nicht, ob dies was man betrachtet entweder ehrlich getan ist oder schändlich? Bei der Überlegung wird die Seele oft in gegensätzliche Ansichten geteilt. Dann überprüft sie entweder oder überlegt gründlich, ob dies zur Bequemlichkeit und Annehmlichkeit der Lebens, zu Mitteln und Möglichkeiten, zu Reichtum, zu Macht beiträgt, damit sie sowohl sich als auch den ihrigen helfen kann, und nicht, wie diese zu dem beitragen worüber sie nachdenkt. Diese Überlegung fällt in das Gebiet des Nutzens. Die dritte Art des Zweifelns liegt vor, wenn der Sittlichkeit zu widersprechen scheint, was nützlich zu sein scheint. Weil nämlich der Nutzen an sich zu reißen scheint, die Sittlichkeit in sich zurückzurufen scheint, geschieht es, dass sie getrennt wird, dass der Geist beim Bedenken in verschiedene Richtungen gelenkt wird und zu einer zweischneidigen Überlegung beiträgt.

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(10) Durch diese Aufteilung sind zwei Aspekte weggelassen, obwohl irgendetwas zu übergehen der größte Fehler beim Teilen ist. Denn nicht nur ob sittlich oder unsittlich ist, pflegt man abzuwägen, sondern auch wenn zwei moralisch richtige Handlungen vorliegen, ob eine angesehner, und ebenso wenn zwei Vorteile vorliegen, ob einer nützlicher ist. So findet man, dass der Verstand, den er als dreifach ansah, in fünf Teile aufgeteilt werden muss. Das erste also ist über die Sittlichkeit, aber gespalten, danach muss nach dem gleichen Verfahren über deren Vergleich diskutiert werden.

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(14) Und jenes Vermögen aber der natürlichen Vernunft ist nicht gering, weil dieses eine Lebewesen wahrnimmt, was Ordnung ist, was es ist, was sich schickt in welchem Maß zu sagen und zu tun. Daher nimmt kein anderes Wesen die Schönheit, den Reiz, die Übereinstimmung der Teile wahr, die durch die Wahrnehmung erkannt werden; diese Ähnlichkeit glaubt die natürliche Vernunft, indem sie die Schönheit, Gleichmäßigkeit, Ordnung von den Augen zur Seele überträgt, umso mehr noch in Erwägung und Taten aufrecht erhalten zu müssen und stellt sicher, dass sie nicht etwas unschön und unmännlich tut, dann sowohl in allen seinen Ansichten und Taten nichts zügellos entweder zu tun oder zu denken. Aus diesen Dingen entsteht und setzt sich die Sittlichkeit zusammen, die wir suchen, auch wenn sie nicht anerkannt wird, dennoch Sittlichkeit ist, und das nur zu Recht, auch wenn es von niemandem gelobt wird, dass es von Natur aus lobenswert ist

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(15) Die eigentliche Gestalt jedenfalls, mein Sohn Marcus, und wie du das Antlitz der Schönheit siehst, wie Plato behauptet „Dies regte die wunderbare liebe zur Weisheit an wenn sie mit den Augen erkannt würde.“ Aber alles, was Sittlichkeit ist, entsteht aus irgendeinem von diesen vier Teilen. Entweder nämlich in vollständiger Erkenntnis der Wahrheit und in der Kreativität bewegt sie sich oder im Schutz der Gesellschaft der Menschen und im Zuteilen einem jeden das Seine und in Treue der Verträge oder in Größe und Kraft einer herausragenden und unbezwingbare Seele oder in Ordnung und Maß aller Dingen, die getan und gesagt werden, worin Bescheidenheit und Mäßigung enthalten ist.

Obwohl diese vier untrennbar miteinander verbunden sind, entstehen dennoch aus Einzelnen gewisse Arten des pflichtgemäßen Handelns, wie zum Beispiel aus dem Teil, der zuerst beschrieben wurde, in den wir Weisheit und Schönheit legen, ihm wohnt das Suchen und Forschen nach der Wahrheit inne und dieser Tugend ist diese Leistung eigentümlich.

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(16) Je mehr man nämlich untersucht, je mehr bei Sache am wichtigsten ist und je genauer und schneller man mit Verstand sowohl sehen als auch erklären kann, desto klüger und weiser (ist man) pflegt man mit Recht zu sagen. Deshalb liegt diese Wahrheit gewissermaßen in dem Thema vor, was sie behandelt und in was sie besteht.

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(43) Es gibt aber viele und freilich sehr ruhmsüchtige Menschen, die entreißen einem, was sie dem anderen schenken, und die annehmen, dass sie als Wohltäter bei ihren Freunden scheinen werden, wenn sie diese auf eine beliebige Weise bereichern. Dies ist aber so sehr fern der Pflicht, dass nichts der Pflicht mehr gegenteilig sein kann. Man muss also bedenken, dass wir uns jener Großzügigkeit bedienen, die Freunden nützt, niemandem schadet. Deshalb darf die Übergabe des Geldes von L.Sulla, C. Caesar von rechtmäßigen Besitzern an Fremde nicht großzügig erscheinen; nichts ist nämlich großzügig, was nicht zugleich gerecht ist.

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>(44) Der zweite Teilbereich der Vorsicht war, dass nicht die Wohltätigkeit größer ist als die Mittel, weil die, die wohltätiger sein wollen als ihr Vermögen zulässt, zuerst darin einen Fehler machen, dass sie ungerecht zu ihren Nächsten sind; die Vorräte nämlich, die diesen sowohl zur Verfügung zu stellen als auch übrig zu lassen gerechter ist, übergeben sie an Fremde. In solcher Großzügigkeit aber wohnt meist das Verlangen wegzunehmen und durch Unrecht zu gewinnen inne, damit bei Verteilen die Vorräte reichlich vorhanden sind. Man kann nämlich erkennen, dass wenn auch die meisten nicht weniger von einer natürlichen Freizügigkeit als von gewissem Ruhm geführt werden und vieles tun, damit sie als wohltätig erscheinen, was mehr von Prahlerei als von freiem Willen abzustammen scheint. Eine solche Heuchelei ist enger verbunden mit der Eitelkeit als mit Großzügigkeit oder Ehre.

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(45) Drittens wurde von der Großzügigkeit gesagt, dass die Würde geschätzt wird; dabei mussten sowohl die Gesinnungen desjenigen berücksichtigt werden, dem gegenüber Gefälligkeit zugeschrieben werden muss, als auch die Gesinnung gegenüber uns und die Lebensgesellschaft und -gemeinschaft und die Dienste, die zu unserem Nutzen zuvor geleistet werden; dass alle zusammentreffen, ist wünschenswert; wo nicht, werden viele und stärkere Gründe mehr Bedeutung haben.

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(46) Weil aber nicht mit perfekten Menschen und vollkommenen Weisen gelebt wird, sondern mit denen, um die es gut steht, falls sie Abbilder der Tugend sind, glaube ich nämlich dies feststellen zu müssen, dass man niemand völlig gering schätzen darf, in dem sich ein Zeichen von Tugend zeigt, man aber jeden am meisten schätzen muss, wie jeder am meisten mit diesen milderen Tugenden ausgestattet sein wird durch Milde, Maß halten, durch diese selbst, von der schon so viel gesagt wurde, die Gerechtigkeit. Denn ein tapferer und großer Geist ist bei einem Menschen, der weder perfekt noch weise ist meist aufbrausender, jene Tugenden scheinen den guten Mann vielmehr zu berühren. So viel zu den Charaktereigenschaften.

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(49) Aber beim Investieren in Wohltätigkeit und beim Abstatten von Dank gehört, wenn die übrigen gleich sind, dies am meisten zur Pflicht, wie viel Beistand jeder braucht, so viel gerade ihnen beizustehen; entgegen diesem wird von den meisten gehandelt; von wem sie nämlich am meisten erhoffen stehen sie, selbst wenn jene dieses nicht verlangen, dennoch vornehmlich jenen zu Diensten.

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(50) Am besten wird die Gesellschaft und Verbindung der Menschen aber bewahrt werden, wenn so wie jeder einzelne (einem) am meisten verbunden ist, auf ihn am meisten Güte versammelt. Aber was die natürlichen Grundlagen der menschlichen Gesellschaft und Gemeinschaft sind, scheint weiter hergeleitet werden zu müssen. Es ist nämlich die erste Grundlage, die in der Gesellschaft der ganzen menschlichen Art wahrgenommen wird. Deren Band aber ist Vernunft und Rede, die die Menschen durch Lehren, Lernen, Beraten, Erörtern, Richten untereinander vereinigt und durch eine gewisse natürliche Gemeinschaft verbindet, und durch nichts sind wir weiter von der Natur der Tiere entfernt, von denen wir oft sagen, dass ihnen Tapferkeit (wie in Pferden, in Löwen) innewohne, (aber) nicht Gerechtigkeit, Gleichheit, Güte; sie sind nämlich des Verstandes und der Rede nicht teilhaftig.

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(51) Und freilich ist dies die weitläufigste Gesellschaft für die Menschen unter sich, für alle unter allen. In ihr muss die Gemeinschaft aller Dinge, die die Natur zum gemeinsamen Nutzen der Menschen hervorgebracht hat, bewahrt werden, damit das, was durch Gesetzte und Zivilrecht verteilt wurde, so festgehalten werde, wie es durch die Gesetzte festgesetzt wurde, und das Übrige, wie es in einem Sprichwort der Griechen heißt: Den Freunden sei alles gemeinsam. Allen Menschen aber scheint das gemeinsam zu sein, was von dieser Art ist, die von Ennius zu einer Sachlage dargestellt wurde, auf viele (weitere) übertragen werden kann: Der Mensch, der höflich einem Irrenden zeigt den Weg, tut so, als entfache er ein Licht von seinem Licht. Um nichts weniger leuchtet er sich selbst, während er doch jenem entfachte.

Von dieser einen Sache her lehrt er deutlich genug, dass das, was auch immer ohne Schaden gewährt werden kann auch einem Unbekannten gewährt werde.

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(52) Daraus sind jene bekannten Regeln: Fließendes Wasser nicht zu verbieten, Feuer von Feuer zugänglich zu machen - wenn irgendeiner will - ehrlichen Rat dem Überlegenden zu geben; diese sind denen von Nutzen, die sie annehmen (und) dem, der sie gewährt, nicht verdrießlich. Daher muss man auch diese Regeln einhalten und immer etwas zum gemeinsamen Nutzen beitragen. Aber weil die Möglichkeiten einzelner nur gering sind, die Menge derer aber unbegrenzt ist, die dieser bedürfen, muss die Freigiebigkeit gegenüber der Allgemeinheit bezogen werden auf jenen Schluss des Ennius 'Um nichts weniger leuchtet er sich selbst', damit die Möglichkeit besteht, durch die wir den unseren gegenüber freigiebig sind.

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(53) Es gibt aber mehrere Stufen des menschlichen Zusammenlebens. Um von jener Unbeschränkten abzusehen, ist näher die desselben Volkes, Nation, Sprache, durch die die Menschen am meisten verbunden werden. Enger sogar ist, von der gleichen Bürgerschaft zu sein; vieles ist nämlich den Bürgern untereinander gemeinsam: der Marktplatz, die Tempel, die Hallen, die Straßen, die Gesetzte, die Rechte, Gerichte, das Stimmrecht, ferner die Sitten, Bekanntschaften und Freundschaften und Geschäfts- und Handelsbeziehungen vieler mit vielen. Eine noch engere Verbindung aber ist die Gemeinschaft der Verwandten. Von jener unermesslichen Gesellschaft der menschlichen Familie her schließt sie sich zu einem engen Kreis zusammen.

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(54) Denn weil dies durch die Natur gemeinsam ist den Lebewesen, dass sie den Trieb haben zu zeugen, besteht die erste Gemeinschaft in der Ehe selbst, die nächste in den Kindern, danach (folgt) das eine (gemeinsame) Haus, der gemeinsame Besitz; dies aber ist die Grundlage der Stadt und gleichsam die Keimzelle des Staates. Es folgen die Verbindung der Geschwister danach die der Cousins und Cousinen, die in andere Häuser gleichwie in Ansiedlungen auswandern, weil sie von einem Haus nicht gefasst werden können, sie gehen hinaus in andere Häuser sowie in Ansiedlungen, dem folgen Eheverbindungen und Verbindungen, aus denen noch mehr Verwandte erwachsen; diese Fortpflanzung und Nachkommenschaft sind der Ursprung der Staaten. Die Verbindung aber des Blutes vereint die Menschen durch Wohlwollen und Liebe.

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(55) Bedeutsam ist nämlich dieselben Denkmäler der Vorfahren zu haben, dieselben Heiligtümer zu benutzen, gemeinsame Gräber zu haben.

Aber von allen Gesellschaften ist keine vortrefflicher, keine fester, als wenn gute Männer mit ähnlichen Charaktereigenschaften durch Vertrautheit verbunden sind; jenes Ehrenvolle nämlich, von dem wir oft sprechen, bewegt dennoch uns, auch wenn wir es in anderen erkennen, und macht uns zu jenem, in dem dies innezuwohnen scheint, zu Freunden.

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(56) Und obwohl uns alle Tugend zu sich anlockt und bewirkt, dass wir die schätzen, in denen sie selbst innezuwohnen scheint, schafft Gerechtigkeit und Großzügigkeit dies dennoch am meisten. Nichts ist nämlich liebenswerter oder mehr verbindlicher als die Ähnlichkeit der Denkweise sittlich hochstehender Menschen; in Menschen nämlich in denen die gleichen Bestrebungen, die gleichen Wünsche sind, geschieht es, dass ein jeder durch einen anderen erfreut wird und gleichwie durch sich selbst und eintritt, was Pythagoras in der Freundschaft will, dass einer gemacht wird aus vielen. Groß ist auch jene Gemeinschaft, die aus gegenseitigem Geben und Empfangen von Wohltaten vollendet wird; solange diese sowohl gegenseitig als auch erwünscht sind, werden die, zwischen wem diese sind, durch feste Gemeinschaft verbunden.

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(57) Aber wenn man alles mit vernünftiger Überlegung betrachtet, ist von allen Gesellschaften keine wichtiger, keine teurer als die, die einem jeden von uns mit dem Staat besteht. Teuer sind Eltern, teuer Kinder, Verwandte, Vertraute, aber alle Liebe gegenüber allen umfasst das eine Vaterland, welcher Gute zögerte, für es den Tod zu erleiden, wenn er ihm nützlich sein wird? Umso verabscheuenswerter ist die Rohheit derer, die das Vaterland zugrunde richteten durch alle Tücke und beim Zerstören (des Vaterlandes) gänzlich in Anspruch genommen sind und waren.

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(58) Aber wenn irgendein Wettstreit und Vergleich gemacht würde, wem mehr an Pflicht zu widmen ist, stehen an erster Stelle die Eltern und das Vaterland, durch deren Wohltaten wir am meisten verpflichtend sind, danach die Kinder und das ganze Haus, das nur auf uns hinsieht und keine andere Zuflucht haben kann, danach in guten Einvernehmen stehende Verwandte, mit denen auch meistens das Schicksal gemeinsam ist. Deshalb schuldet man die zum Leben notwendigen Hilfsmittel denen am meisten, von denen ich zuvor gesprochen habe; das gemeinsame Leben aber und Lebensart, Ratschläge, Gespräche, Aufmunterungen, Trostworte, zuweilen auch Tadel herrschen in Freundschaften am meisten und es ist dies die erfreulichste Freundschaft, die die Gleichheit der Charaktereigenschaften verbunden hat.

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(61) Man muss aber erkennen, dass, weil vier Arten in Aussicht gestellt waren, aus denen Tugend und rechtes Handeln entspringt, am glanzvollsten scheint, was von einem großartigen und erhabenen und auf die Menschen herabblickenden Geist gemacht wurde. Deshalb fällt das bei Schmähungen am meisten ins Auge, wenn man etwas solches sagen kann:

„Ihr Jungen nämlich habt einen weibischen Geist, jenes Mädchen den eines Mannes.“

und wenn etwas derartiges:

„Salmacides, Beute ohne Schweiß und Blut.“

ganz anders preisen wir bei Lobreden Taten, die von einem großartigen Geist stark und vortrefflich getan worden sind, irgendwie mit vollerem Tone. Daher (kommt) das Feld der Redelehrer über M., S., P., T., daher unser C., die D., Cn. und P. Scipio, daher M. Marcellus, unzählbar viele andere, und am meisten ragt das römische Volk selbst durch Seelengröße hervor. Deutlich gemacht wird aber das Streben nach Kriegsruhm dadurch, dass wir auch die Statuen, beinahe immer militärisch ausgestattet sehen.